Studium der Zukunft: Aktuelle Studie zeigt wie wir 2030 studieren
Im Mai 2019 kam eine sehr interessante Studie an die Öffentlichkeit, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) zusammen mit dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung (HIS-HE) durchgeführt wurde. Ziel war es, herauszufinden, welche Trends sich 2030 in der Hochschullandschaft etabliert haben werden. Das Ergebnis haben wir für Euch nachfolgend zusammengefasst:
In zwei Phasen wurden erst Voruntersuchungen in verschiedenen Bereichen durchgeführt und dann unter Einbeziehung von Experten aus Politik, Wissenschaft und Hochschulbetrieb – sowie auch Studierenden – verifiziert, verdichtet und in konkrete Trendprognosen gegossen. Folgende Erkenntnisse ergaben sich aus der Untersuchung:
Die Digitalisierung wird das Studium, wie wir es kennen, nicht disruptieren
Zwar wird sich die Digitale Transformation erheblich auf die Art und Weise, wie und was wir lernen, auswirken. Nichtsdestotrotz führt die dazugehörige Entwicklung bis 2030 höchstwahrscheinlich nicht dazu, dass Hochschulen, Fachhochschulen und Berufsakademien und andere Lerninstitute vom Bildungsmarkt verschwinden und durch komplett neue und bisher völlig unbekannte Lernformen ersetzt werden. Gerade die immer beliebter werdenden und komplett webbasierten Lern- und Weiterbildungsformate (MOOCs – Massive Open Online Courses) finden kontinuierlich neue Nutzer – auch außerhalb der akademischen Welt. Diese Innovationen konnten aber bis jetzt von den etablierten Hochschulsystemen erstaunlich reibungslos in ihr eigenes Portfolio integriert werden. Eher werden sich die Rollen und Lernangebote den aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen der Menschen anpassen, deren Leben sich nicht mehr in klare Lern- und Arbeits-Phasen einteilen lässt. Die initiale Wissensaufnahme kann erheblich kürzer werden, aber durch Weiterqualifizierungsmaßnahmen, die abwechselnd oder parallel zu Festanstellungen oder freiberuflichen Tätigkeiten stattfinden, angereichert und vertieft werden. Die Studie regt zudem an, dass Wissensangebote allen Menschen zur Verfügung stehen sollten – unabhängig von Qualifikation und beruflicher Ausrichtung. Diese Öffnung wird die Digitalisierung weiter vorantreiben, aber interessanterweise auch die endgültige Demokratisierung des Bildungsangebots überhaupt erst ermöglichen.
Interessante und flexible Alternativen zum klassischen Studienmodell
Wie bereits erwähnt, erwarten die Autoren der Studie, dass sich die Bildungsangebote, die immer noch hauptsächlich von den Unis, Hoch- und Fachhochschulen konzipiert und federführend durchgeführt werden, an den veränderten Lebensrealitäten der Menschen anpassen. Die aktuellen und zukünftigen Karrierewege folgen mittlerweile keinen klaren Standard-Routen mehr, sondern stellen sich immer öfter als sehr abwechslungsreiche Zickzacklinie dar. Der frühere 08/15-Weg für Angestellte und Arbeiter lief wie folgt ab: Schule->Studium/Ausbildung->Festanstellung (mit maximal 1 bis 2 Arbeitgeberwechseln) ->Rente. Heute und in den nächsten 5 bis 10 Jahren schieben sich Selbständigkeiten, häufige Arbeitgeber- und Funktionswechsel, Sabbaticals oder andere “Auszeiten” und auch vorzeitige Wechsel in den Ruhestand bzw. eine unerwartete Wiederaufnahme der Berufstätigkeit in diese Zeitschiene ein. Dementsprechend stehen die Menschen vor der Herausforderung, immer wieder dazuzulernen oder sich komplett neue Skills anzueignen. Diese “Zerstückelung” zeigt sich in einer neuen Bandbreite an Studienmodellen, die aus Gründen der Wiedererkennbarkeit nach bekannten Spielzeugen benannt wurden:
Tamagotchi – das klassische Studienmodell
Natürlich wird es stets Menschen geben, die einen möglichst geraden Karriereweg anstreben und keine Vorteile in der “Auffaserung” des klassischen Studienmodells erkennen können. Die Hoch- oder Fachhochschule deckt hier im direkten Anschluss an die Schulzeit eine klar eingegrenzte Lernphase ab, nichtsdestotrotz können sich die Absolventen selbstverständlich während ihres weiteren Weges entscheiden, zusätzliche Bildungs- und Qualifizierungsangebote wahrzunehmen.
Jenga – erst kurz und knapp, dann Stück für Stück intensiver und länger
Das Jenga-Modell – benannt nach dem beliebten Geschicklichkeitsspiel, bei dem man möglichst viele quaderförmige Bausteine übereinanderstapeln muss, ohne dass der entstehende Turm instabil wird und umkippt – sieht ein zeitlich und fachlich verkürztes Erststudium dar, das ein gutes und belastbares Grundwissen schafft. Im Vergleich zum Tamagotchi-Modell wird aber von vornherein davon ausgegangen, dass sich die Studierenden nach dem Abschluss des Basic-Teils kontinuierlich weiterbilden wollen und müssen. Die ursprünglich gewählte Hoch- oder Fachhochschule kümmert sich dann auch um die Organisation und Betreuung der weiteren Lernphasen – aber eben nicht notwendigerweise mehr direkt vor Ort, sondern unter Nutzung digitaler Lernportale und -methoden. Diese Vorgehensweise erfordert aber auch, dass die klassischen Bildungsträger ihr Angebot erweitern – und idealerweise auch gleich der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Dieses Portfolio inkl. einer sinnvollen Prüfungsstruktur muss natürlich nicht kostenlos ins Web gestellt, sondern kann und sollte an aufwandsangemessene Gebühren geknüpft werden.
Lego – Module nach dem eigenen Bauplan kombinieren
Die weltweit bekannten und beliebten Legosteine bieten den Vorteil, dass man beim Zusammenbauen zwar einer üblicherweise mitgelierten Anleitung folgen – aber auch komplett seine eigenen Ideen und Vorstellungen umsetzen kann. Die Größe der Bauelemente sowie die standardisierten Kontaktflächen (“Noppen”) machen’s möglich. Ganz ähnlich stellt sich das gleichnamige Studienmodell dar. Die einzelnen Lernbausteine bilden zwar logische Einheiten, können aber sehr individuell miteinander kombiniert werden. Die Größe variiert wie bei den Vorbildern aus farbigem Kunststoff, die Bandbreite kann kontinuierlich erweitert werden, ohne Konkurrenz- oder Redundanz-Situationen zu schaffen. Dieses Modell richtet sich an Menschen, die ganz genau wissen, dass sich das gerade benötigte Wissens-Niveau in sehr absehbarer Zeit überlebt hat und durch andere Know-how-“Bricks” ergänzt oder in eine andere Richtung gebracht werden muss.
Wer sich im übertragenen Sinne also erst ein Häuschen baut, kann im Laufe der Zeit noch entscheiden, doch lieber einen Leuchtturm oder einen Bungalow zu errichten – oder nach erfolgreicher Fertigstellung gleich das nächste Häuschen in einer ganz anderen Farbe in Angriff nehmen. Diese Lernvariante stellt noch höhere Anforderungen an Hoch- und Fachhochschulen, die sie nur in Zusammenarbeit mit privaten Anbietern oder anderen Partnern bewältigen können. Als primäre und nicht delegierbare Aufgabe übernehmen die klassischen Institute dann die Anerkennung der verschiedenen Bildungs- und Qualifizierungsangebote sowie die Ausarbeitung und Abnahme von weltweit anerkannten Abschlüssen, die über das heute verfügbare Maß deutlich hinausgehen.
Transformer – studiere wann, wie, was und wo Du willst
Das Transformer-Modell löst sich komplett von einer vorgegebenen Struktur und stellt es den Interessierten frei, in welcher Lebensphase sie was, warum und wie studieren. Entsprechend flexibel müssen dann die Anbieter von passenden Studiensegmenten und Abschlüssen ihr Portfolio gestalten, um wahr- und in Anspruch genommen zu werden. Didaktisch anspruchsvoll – aber so einfach wie möglich kombinierbar positionieren sich die jeweiligen “Lernhappen”.
Es bleibt spannend …
Wenn Du nun angesichts der beschriebenen Vielfalt ins Trudeln kommst, können wir Dich beruhigen: Dein Studium kannst Du so durchziehen und abschließen, wie Du es ursprünglich geplant hast. Dir stehen nach Deinem Abschluss dann aber noch sehr interessante Möglichkeiten offen, um Deine Skills Deinen zukünftigen Karriere-Plänen anzupassen – völlig unabhängig davon, wie diese in 5, 10 oder 20 Jahren aussehen werden.